Früher waren Urlaub und Arbeit strikt getrennt. Entweder die Leute arbeiteten oder sie fuhren in den Urlaub. „Heute ist das anders“, sagt Anna Kemper (37) aus Schmallenberg-Obringhausen im Hochsauerlandkreis. „Viele Menschen arbeiten mittlerweile ortsunabhängig.“ So wie sie selbst und ihr Lebensgefährte Sebastian Siebe (32). Beide lebten und arbeiteten einige Jahre in Hamburg. Er als Berater in einem Softwareunternehmen, sie im Vertrieb eines Schifffahrtzulieferers. Vor fünf Jahren kamen beide ins Sauerland, um den elterlichen Forstbetrieb von Anna Kempers Eltern zu übernehmen. Zum Hof gehören unter anderem drei Mietwohnungen. Zwei davon sind dauerhaft vermietet.
Wichtig: Schnelles Internet
Vor knapp einem Jahr zogen die Mieter aus der 120 m2 großen Wohnung im ersten Obergeschoss aus. Die Wohnung ließ sich seinerzeit schlecht vermieten, weil sie nur über ein Schlafzimmer verfügt. Da das Paar mittlerweile selbst ortsunabhängig arbeitet, entstand die Idee für eine Ferienwohnung mit Workation. Hinter diesem Kunstwort stehen die beiden englischen Begriffe Work (Arbeit) und Vacation (Urlaub), also arbeiten im Urlaub. „Wir wollten dieses Thema ins Sauerland holen und bekannter machen, denn wir sehen Potenzial darin“, erzählt Anna Kemper.
Auf ihrer Internetseite wirbt die Familie dafür, sich von der unberührten und weiten Natur für die Arbeit inspirieren zu lassen. „Es ist auch interessant für Familien, wenn ein Partner beispielsweise beruflich eingebunden ist. Dann kann der andere tagsüber etwas mit den Kindern unternehmen und der Abend gehört allen zusammen“, nennt Anna Kemper den Gedanken dahinter.
Mit Stehpult und Schreibtisch
Um zu arbeiten, ist die Ferienwohnung „Wennequartier“ mit einem Stehpult und einem höhenverstellbaren Schreibtisch ausgestattet. Der Hof verfügt über einen Glasfaseranschluss für schnelles Internet. Und dank WLAN können die Urlauber sogar draußen im weitläufigen Garten oder im Glockenhaus mit ihrem Laptop sitzen. „Wir hatten mal ein Medienteam hier, das beim Green Hill Bikepark Festival gefilmt und dann abends die Videos in der Wohnung geschnitten hat“, erinnert sich die 37-Jährige.
Möbel vom Trödel
Anna Kemper ist studierte Produktdesignerin. Ihr liegt Nachhaltigkeit am Herzen. Bei der Einrichtung hat sie sich auf ihr eigenes Empfinden verlassen. Ihr war beispielsweise wichtig, nur gebrauchte Möbel zu kaufen. Durch ihr Design-Studium hat sie ein gutes Gespür, wie sich Altes und Modernes miteinander kombinieren lassen. „Wir hatten noch Möbel aus unserer Wohnung in Hamburg. Den Rest habe ich nach und nach über Trödelmärkte und Kleinanzeigen gefunden, wenn ich in Köln oder Hamburg war. Dort war die Auswahl etwas größer als im Sauerland“, so ihre Erfahrung. Das sei zwar sehr zeitintensiv gewesen, habe ihr aber Spaß gemacht.
Mit Farbkonzept
Bei den Farben hat sie geschaut, was schon da ist und um Einrichtungsgegenstände in passenden Farben ergänzt. Die Wohnung erscheint nun überwiegend in holzfarben, rosé, braun, grau und etwas schwarz. Auf ihrer Internetseite geht Anna Kemper offen mit dem Thema Nachhaltigkeit um. Die Küche ist drin geblieben, der Hauswirtschaftsraum wurde zum zweiten Schlafraum mit Pappbett umgestaltet. „In einer Ferienwohnung benötigen die Urlauber keinen Hauswirtschaftsraum“, sagt Anna Kemper. Lediglich die Küchenausstattung wie Toaster, Kaffeemaschine, Porzellan und Besteck sowie die Badausstattung und die Matratzen in den Betten hat die Familie neu angeschafft. Das Paar, das eine dreijährige Tochter hat, investierte rund 7000 € in die Einrichtung.
Vermietet wird die Wohnung nun je nach Buchungsportal für 100 bis 120 € pro Nacht. Die Auslastung der Unterkünfte im Stadtgebiet Schmallenberg liegt durchschnittlich bei 40 %. Das Wennequartier hat eine ähnliche Auslastung.
Werbung über Internet, Instagram und Buchungsportal
Das Paar bewirbt die Wohnung „Wennequartier“ über seine eigene Internetseite, die sie bewusst sehr einfach und damit kostengünstig gehalten hat. Sie ist außerdem auf der sozialen Plattform Instagram unter @wennequartier vertreten sowie auf verschiedenen Buchungsplattformen wie Booking, Casamundo und FeWoDirekt.
Diese laufen allesamt über einen gemeinsamen Anbieter, der 15 % Provision pro Buchung berechnet. Auch bieten sie die Wohnung über den Tourismusverband Schmallenberg (www.schmallenberger-sauerland.de), eine Plattform für nachhaltige Unterkünfte in Deutschland (www.hiersein.de) und über Airbnb an. „Wir haben auch Flyer in Schmallenberg und in den umliegenden Firmen verteilt, die unsere Wohnung für ihre Gäste oder Mitarbeiter nutzen können“, berichtet Anna Kemper.
Pläne für die Zukunft
Ob ihre Feriengäste jetzt alle zum Arbeiten da sind, das kann Anna Kemper gar nicht genau sagen. „Da ist sicherlich noch Luft nach oben“, so ihr Resümee. Anna Kempers Traum wäre, dass sich mal ein Schriftsteller hierher „verirrt“ und mit Blick auf die weiten Kuhwiesen und die unberührte Sauerländer Natur einen berühmten Roman schreibt.
Wenn ihr Angebot demnächst mehr angenommen wird, könnte sie sich langfristig auch vorstellen, weitere Flächen auf dem Hofgelände zu nutzen, um ein sogenanntes Co-Working-Space einzurichten. Also Büroräume, die tage- oder monatsweise von verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Sparten angemietet werden. Auch größere Seminarräume sind denkbar. Doch das ist erst mal Zukunftsmusik.
www.wennequartier.de
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