Der Verbiss von Naturverjüngung und Kultur durch Rehwild und Co. mindert den Erfolg der Wiederbewaldung. Eine hohe Wilddichte muss aber nicht automatisch ein Problem sein. Vielmehr sind es die falsche Jagdstrategie und an Futteralternativen arme Lebensräume, weiß Olaf Ikenmeyer, Leiter des Regionalforstamtes Arnsberger Wald. Er gibt Tipps, wie sich Wald und Wild in Einklang bringen lassen.
Auf eine Wildart fokussieren
Wenn Verbiss, Fege- und Schälschäden überhandnehmen, ist schnell der Verursacher gefunden: das Wild. Allerdings muss der Verursacher nicht gleich der Schuldige sein. Klar ist: Der Wald ist der Lebensraum des heimischen Wildes. Insofern gilt es, die Interessen der Waldbesitzer und die Lebensraumansprüche von Reh- und Rotwild sowie anderen Arten unter einen Hut zu bringen, sagt Olaf Ikenmeyer. Der Forstamtsleiter ist für gut 10 400 ha landeseigenen Wald rund um Arnsberg verantwortlich. Trockenheit und Käferfraß haben auch dort große Schadflächen verursacht. Diese gilt es nun schrittweise wieder aufzuforsten. Wenngleich in den meisten Regionen das Rehwild die Leitwildart ist, kommen im Arnsberger Wald zudem auch Rotwild und Sikawild hinzu. Vor allem Letzteres sorgt wegen seiner überdurchschnittlich großen Population für Schwierigkeiten: massiven Verbiss sowie Schäle und Fegeschäden. Deshalb richten die Förster im Arnsberger Wald ihre Bejagung vor allem auf die aus Asien stammenden Kleinhirsche aus. Hierbei spielen Jagd- und Ruhezeiten eine entscheidende Rolle. Im Mai findet die Jagd auf Schmaltiere und Schmalspießer statt. Im August, September und Oktober dann intensive, meist zehntägige Jagdphasen mit dem Schwerpunkt auf Kalb-Alttier-Dubletten. Dabei hat der Muttertierschutz höchste Priorität. Experten nennen das Intervalljagd. Die kurzen aber intensiven Bejagungszeiten versprechen im Umkehrschluss viel Ruhe für das Wild. Das stresst die Tiere weniger und senkt den Verbissdruck, erklärt Ikenmeyer. Ein Konzept, das sich so auch im Privatwald umsetzen lässt.
„Buntes Angebot schaffen“
Der Alltag des heimischen Schalenwildes (außer Schwarzwild) ist vor allem durch Äsen und Wiederkäuen bestimmt. Während das Rotwild bei der Nahrungsaufnahme weniger wählerisch ist, zählt das Rehwild zu den sogenannten Konzentratselektierern. Das bedeutet, es nimmt pro Tag in bis zu zwölf kurzen Fressperioden energiereiche und leicht verdauliche Nahrung auf. Dazu zählen beispielsweise Kräuter, Knospen oder Eicheln. Auf den großen Schadflächen ist das Angebot der krautigen Äsung in den ersten Jahren sehr groß. Das ändert sich allerdings mit der Zeit. Während der Schutz für das Wild durch Sträucher und Bäume zunimmt, führt der Lichtmangel am Boden zu einem geringeren Aufwuchs krautiger Pflanzen – das Nahrungsangebot für das Rehwild geht zurück und der Verbissdruck nimmt zu. Findet das Wild neben schmackhaften Kräutern von vornherein auch echte Leckerbissen wie beispielsweise Weißtannenknospen in der Kulturfläche, ist starker Verbiss vorprogrammiert. Hier heißt es: gegensteuern. Die einfachste Lösung, Eichen, Tannen und andere Baumarten zu schützen, ist ein Gatter. Der Zaun verhindert, dass das Wild auf die Fläche kommt. Bedeutet aber auch viel mehr Druck auf benachbarte Bereiche und kostet auch viel Geld. Das sorgt im Privatwald immer wieder für Konflikte. Besser ist es, das Wild gezielt auf andere Bereiche zu lenken, sagt Ikenmeyer. „Weg von den Kulturen“, so seine Faustregel. Heißt konkret: Wildäsungsflächen anlegen. Auf den meist 0,3 bis 0,5 ha großen Flächen findet das Wild beinahe ganzjährig eine artenreiche Äsung. Hinzu kommt die passende Jagdstrategie. Lohnend ist neben der Intervalljagd eine intensive Bejagung an besonders schützenswerten Kulturen und Naturverjüngungen. Hingegen ist an den Wildwiesen Jagdruhe.
Äsungsflächen anlegen
Was im Staatswald leicht umsetzbar ist, stößt im Privatwald an seine Grenzen. Das weiß Ikenmeyer aus seiner Zeit als Privatwaldbetreuer im Hochsauerland. Denn die Flächenzuschnitte und Eigentumsverhältnisse verkomplizieren die Anlage der jagdlichen Infrastruktur. In der Regel möchte niemand seine Fläche für eine Wildwiese hergeben, so die Erfahrung des Forstamtsleiters. Allerdings besteht genau darin eine lohnende Alternative. Wer ohnehin eine extensive Waldbewirtschaftung anstrebt, könnte seine Fläche für die Jagd bereitstellen. Als Anreiz ließe sich mit der Jagdgenossenschaft über den Jagdpachtvertrag ein finanzieller Ausgleich festlegen. Angelehnt an die Waldbewertungsrichtlinien können das schnell mehr als 200 €/ha jährlich sein. Bedeutet für den Waldbesitzer eine feste Pachteinnahme, dafür keine Wiederbewaldungskosten, kein Anwuchsrisiko und kein Pflegeaufwand. Gleiches gilt für Jagdschneisen, die ebenso zur jagdlichen Infrastruktur zählen. „Hier zählt der genossenschaftliche Gedanke und Jagden mit einer guten Infrastruktur erzielen auch höhere Pachten, so haben alle etwas davon“, sagt Ikenmeyer.
Insgesamt gilt es aus dem Orkan Kyrill und den damaligen Fehlern zu lernen. Die Jagd bzw. die Planung jagdlicher Infrastruktur wurde bei den Kyrillaufforstungen nach 2007 viel zu oft unberücksichtigt gelassen. Die Aufforstungen entwickeln sich zunehmend zu Dickungen. Sie bieten dem Wild vor allem Schutz, aber immer weniger Äsung. Die Bejagung des Wildes ist dort sehr kompliziert und aufwendig. Darum Ikenmeyers Appell: „Diesmal sollten Waldbesitzer und Jäger im Sinne von Wald und Wild besser zusammenarbeiten.“
Wildwiese: Den richtigen Standort finden
Die Anlage von Wildwiesen ist wesentlich bei der Planung der Wiederbewaldung. Wenngleich sich keine pauschale Größe und Anzahl der Wildäsungsflächen je Revier festlegen lässt, sollte das Angebot möglichst groß und vielfältig sein. Der Landhandel bietet inzwischen zahlreiche Saatmischungen an. Entscheidend sind größere Klee- und Luzerneanteile in der Mischung. Im Arnsberger Wald hat Ikenmeyer gute Erfahrungen mit der Standardmischung G 9 für arme Standorte gesammelt. Das ist eine mehrjährige Mischung aus Futtergräsern, Kleearten und Glatthafer. Wichtiger als die Saatmischung ist hingegen der Ort der Wildwiese. Hier lohnt ein genauerer Blick: Sonnige Unterhänge nahe eines Baches werden besser angenommen, als südexponierte Steilhänge am Oberhang. Das Wild äst zwar gerne in der Sonne, benötigt aber Wasser und meidet größere Hitze. Außerdem benötigen die Wildwiesen hin und wieder Pflege. Darum sollten sie mit landwirtschaftlichem Schlepper befahrbar sein. Eine Frühjahrsdüngegabe mit Magnesium-Kainit erhöht die Schmackhaftigkeit der Futtergräser – dort, wo rechtlich erlaubt. Obstgehölze können die Wildäsungsfläche zusätzlich aufwerten.
Übrigens: Die Neuanlage von Wildäckern im Wald ist in NRW entsprechend der Durchführungsverordnung des Landesjagdgesetzes verboten.